Rezension von Richtig schießen mit dem Recurvebogen, Deutscher Bogensportverlag

Das Buch soll sich an Anfänger richten, und es wird wohl versucht, das Bogenschießen so einfach wie möglich zu erklären. Dieser Ansatz ist gut, nur muß man wirklich Fachkenntnisse haben, um relativ komplizierte Zusammenhänge einfach, aber physikalisch/physiologisch richtig zu erklären. Dazu reicht es eben nicht, dass man selber gut schießt und dass man von irgendeinem Verband irgendeine Lizenz besitzt. Wer ein Buch schreibt, muß sich daran messen lassen, was drinsteht. Ich werde hier nur auf die wirklich wichtigen Fehler eingehen, ansonsten kann ich nur sagen, grundsätzlich bietet dieses Buch außer Allgemeinplätzen kaum eine Aussage, die wirklich ohne Kritik zu unterschreiben wäre. Das Buch hat mehr sachliche Fehler als eine mallorquinische Straßenkatze Flöhe.

Und bevor man sich mit jemandem beschäftigt, der Bogenschießen lernen will, stellt man als erstes fest, ob das Leitauge (oder dominante Auge) rechts oder links ist. Das ist übrigens nicht mit "rechts/linkshändisch" gekoppelt, sondern unabhängig davon. Es kann sogar so sein, das die Augen des Betreffenden hinsichtlich Dominanz indifferent sind, dann sollte der Auszubildende anfangs eine Augenklappe tragen. Wie man das feststellt, ist in guten Schießsportbüchern zu lesen, nur Bogentrainer wissen davon scheinbar nichts. Kein Wort darüber in diesem "Sachbuch"... Schlechter Anfang.

Seite 13, Zitat:
Die Stützseite ist die Körperseite, deren Arm und Hand den Bogen hält.
Diese Definition ist schon Unsinn. Stützen bedeutet Druck, und keine Körperseite, kann "Druck" aufnehmen. Nebenbei, es gibt im ganzen Körper nicht einen Muskel, der "Druck" aufbauen kann. Druckkräfte werden vom Skelett aufgenommen, der Bogenoberarm überträgt Druckkräfte und als Hebel um das Schultergelenk Drehmomente.

Zitat:
Arm und Hand der Zugseite ziehen die Sehne
Unsinn. Arm und Hand sind passive Kraftübertragungselemente, die Hand ist ein Haken, ihre Beuge- und Streckmuskeln werden vom Gehirn gesteuert, der Unterarm überträgt Zugkräfte, der Oberarm Druckkräfte und als Hebel Drehmomente um das Zugschultergelenk.
Schon an diesen Bemerkungen erkennt man, dass "einfach" eben nicht heißt, beispielsweise zu postulieren, dass sich die Sonne um die Erde dreht. Man muß sich beim "einfach" an die Physik halten. Sonst wird aus "Einfach" eben "falsch"

Und daraus folgt, alles was "falsch" als Grundlage hat, ist eben auch falsch und die Schlußfolgerungen werden auch falsch sein. Ich werde weiter unten bei den sog. Kraftdreiecken mehr darauf eingehen.

Seite 17 Zitat:
Im nächsten Bewegungsablauf wird die Zugschulter in Richtung der Stützlinie 1-3 [Einschub:Bogenhanddruckpunkt-Zugschultergelenk] bewegt.
Auf der Seite taucht zum erstenmal im Buch der Ausdruck "Kraftdreieck" auf. Dieser Ausdruck ist verkehrt. Es gibt kein Kraftdreieck. Da hat irgend jemand einen Trickfilm ernst genommen. Das "auf eine Linie bringen" der vier Punkte Bogenhanddruckpunkt-Bogenarmellbogen-Bogenarmschultergelenk-Zugschultergelenk ist physiologisch unmöglich. Ich erspar es mir, die grottenschlechten Skizzen im rezensierten Buch hier zu wiederholen. Diesem Unsinn wird sogar noch eine Extraseite (Seite 18) mit dem "Extraset" gewidmet. Diese Mechanik muß man -einigermaßen- im Griff haben, wenn man Anfängern Bogenschießen so richtg beibringt, dass sie Spass daran haben und sich darauf aufbauend weiterentwickeln können...

Ein kleines, aber feines Schmankerl, die Autoren unterscheiden zwischen "Lade" und Ankerposition. Diesen Unsinn haben sie bei Kisik lee abgeschrieben, und er wird durch -gefährliche- Wiederholung nicht besser. Diese Unterscheidung ist Bullshit.

Das Visieren,
ich zitiere nicht mehr den Bullshit über "Mikroexpansion, Expansion aus der Halteposition" usw und so fort, und was da noch an weiterem Unsinn steht. Der Schütze spannt den Bogen durch Drehen des Bogenoberarmes und des Zugoberarmes um die Schultergelenke, und das tut er mit abfallender Geschwindigkeit. Während dieser Zeit überläßt er das Zielen seinem Unterbewußtsein, und ja, das sollten bereits Anfänger lernen. Die Skizzen zum Zielen sind genauso lieblos primitiv wie alle anderen Skizzen in dem Buch...

Da wird lang und breit die Herstellung eines sog. "Null"bogens beschrieben. Die Übungen mit diesem Primitivspielzeug können viel besser und nachhaltiger mit einem Theraband durchgeführt werden. Aber nicht so, wie es die Autoren in diesem Buch weismachen wollen, durch "Expanderspannübungen" und Abschnappen lassen, sondern eben so wie hier geschildert.

Die Autoren haben von der Biomechanik des Bogenschießens nichts begriffen, dass einzige was sie getan haben ist, was sog. Fachleute vor Jahrzehnten geschrieben haben, was sog. Spitzentrainer auch heute noch hemmungslos bar jedes Wissens um heute erforschte Zusammenhänge weiterverbreiten, wiederzukäuen.
Und das ist selbst für ein Buch, geschrieben für Anfänger, zu wenig.
Das Literaturverzeichnis ist Eigenwerbung, die stößt besonders sauer auf und das Sachregister ist ein Witz. Allein die Bemerkung über den sog. Handschock eines Bogens ist schreiend komisch und deckt unfreiwillig die Ignoranz der beiden Autoren über Physik auf...
Sich das Buch zu kaufen, wäre viel Geld für unnützes Gelaber auszugeben. OK, im Waffenfachgeschäft, in dem auch Reiterbogen mit 50lbs an Anfänger verkauft werden, wäre es vielleicht gut aufgehoben.

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