Der magische Moment...Was passiert mit dem Zugunterarm/Zughand zwischen Klickerfall und Lösen?

Das sog. Kraftdreieck dürfte abgefrühstückt sein, dazu habe ich nichts mehr zu sagen. Allerdings hat mich zusätzlich diese super Magisterarbeit in's Träumen gebracht, was man untersuchen sollte und was untersuchenswert ist.
Dazu braucht man eine Modellvorstellung, und wenn diese Modellvorstellung keine gesicherten Daten hat, nennt man sie Hypothese und schaut nach, inwieweit sie plausibel ist...

Voraussetzungen:

Hier wird also die Zeit betrachtet, die zwischen Klickerfall und Lösen (die Beuge und Streckermuskeln der Zughand geben die Sehne frei) liegt. Was kann mit dem Zugarm, mit der Zughand passieren ohne dass der Schütze auch nur den Hauch einer Einflußnahme hat.

Beschreibung der Hypothese
Nach dem "Klick" werden vom Gehirn an verschiedene Muskelgruppen Signale zum Entspannen geschickt. Es kommt jetzt darauf an, welche Signale eher ausgeführt werden. Ist tatsächlich das Lösesignal für die Zugfinger das Schnellste, oder werden vor diesem Signal die Muskelgruppen im Zugellbogen und oder im Zughandgelenk entspannt. Was passiert dann?

Die Zeit zwischen "Klick" und Lösen des Schusses ist mind. 100ms. Der Beginn des Lösens ist wiederum nicht eindeutig definiert. Welche Bewegung der Sehne ist noch vom Schützen beeinflußt und ab wann regiert nur noch der Kraftvektor der Sehne? Das Lösen selber wird ca 10ms betragen. Da bleiben mind. 90ms Zeit für die Reaktion der Bogenhand und des Zugunterarmes, unbeobachtbar durch den Schützen. Das ist die Ausgangslage.

Die anthropometrischen Bedingungen sind hier sehr wichtig. Die idealen Längenverhältnisse, wie meinetwegen bei Lisa Unruh oder Florian Kahllund, haben einen großen Einfluß. Es ist kein Zufall, dass fast alle Spitzenschützen ähnliche geometrische Verhältnisse haben. Kann der Zugunterarm im Endanschlag in die Linie des Kraftvektors der Sehne gebracht werden, spielen die hier angesprochenen Probleme keine wirklich große Rolle. Deshalb werden hier die Verhältnisse eines ganz normalen Schützen als Grundlage genommen.

Das Moment im Zugellbogen

Im nicht-idealen Fall geht es nicht anders, da muß der Zugunterarm über die Beugemuskeln des Zugoberarmen an den Anschlag im Gesicht herangeführt werden. Was passiert, wenn zwischen "Klick" und Lösen genau dieses Moment entspannt wird? Dieser Fall ist in folgender Skizze beschrieben. Natürlich sind Verschmierungen, die darauf zurückzuführen sind, dass die Drehpunkte im Körper nicht exakt definiert sind, sondern unter allen möglichen Einwirkungen ihre Lage ändern können, nicht berücksichtigt. Das braucht es auch nicht, hier soll nur ein möglicher Ablauf untersucht werden.



Bild 1

Die Endhaltekraft des Bogens zieht sofort den Nockpunkt in die Kraftlinie Zugellbogen- Druckpunkt Bogenhand nach außen. Da der Lösevorgang schon eingeleitet ist werden anschließend die Zugfinger die Sehne nicht mehrt halten, der Schuß bricht, die Richtung ist allerdings deutlich geändert. Es wird ein veritabler Linksschuß sein. Allein dieses Beispiel zeigt, dass ein wie immer gearteter "Transfer" von Muskelspannungen von hier nach dort nicht möglich und hier sogar, wenn er durch irgendwelche Maßnahmen forciert wird, extrem schädlich sein kann. Das Moment im Zugellbogen muß unter allen Umständen erhalten bleiben. Hier könnte eine Erklärung für sonst unerklärliche Fehlschüsse liegen.

Das Moment im Zughandgelenk.

Im nicht-idealen Fall geht es nicht anders, da muß der Zugunterarm über die Beugemuskeln des Zugoberarmen an den Anschlag im Gesicht herangeführt werden. Zusätzlich sieht man häufig, dass im letzten Teil des Spannens die Zughand zum Gesicht hin abgewinkelt wird. Der Anschlag wird also nicht erreicht, indem der Zugunterarm von den Beugemuskeln des Zugoberarmes "herangebeugt" wird, sondern die Hand wird nach innen abgewinkelt.



Bild 2

Das nächste Bild zeigt die Änderung der Lage des Nockpunktes, wenn vor dem Lösen das Handgelenk gestreckt wird.



Bild 3

Auch hier tritt ein Linksschuß auf, aber lange nicht so gravierend wie im ersten Fall.

Diese Verhältnisse sind meines Wissens noch nie so sorfältig untersucht worden, wie das Lösen in der o.a. Magisterarbeit. Andererseits liegt hier, wenn denn die Hypothese plausibel ist eine Menge an zu optimierenden Möglichkeiten. Diese Untersuchung müßte mit Markern an den relevanten Stellen, mit Schützen verschiedener Anthropometrie, mit genauen Zeitmessungen und damit Zuordnung der Reihenfolge der Bewegungen durchgeführt werden.

Der Versuchsaufbau
Es ist klar, dass solche Versuche, wenn sie Aussagekraft haben sollen, sehr aufwendig sind. Dieser Versuchsaufbau ist in der o.a. Magisterarbeit sehr gut dargestellt und muß noch erweitert werden. Die Bildfrequenz muß deutlich erhöht werden. Der Startzeitpunkt wäre der Klickerfall, der Endpunkt ein zu definiertender Zeitpunkt des Lösens der Zugfinger an der Sehne. Das heißt es muß ein ziemlicher Aufwand hinsichtlich der Koordination der Meßzeiten über eine Zeit von mind. 150ms bis 200ms mit einer Bildfrequenz von 1kHz getrieben werden. Dazu kommt, dass die Bewegung des Nockpunkte senkrecht von oben und waagerecht zu beobachten wäre in Referenz zur Lage bein Klickerfall. Das gleiche gilt für das Zughandgelenk in Referenz zum Zugellbogengelenk.
Zusätzlich müssen verschiedene Schützen mit unterschiedlichen anthropometrischen Verhältnissen untersucht werden. Wie schon vorher bemerkt, hat es da keinen Sinn sich nur mit idealen Längenverhältnissen, wie sie bei Spitzenschützen auftreten, zu beschäftigen. weiterhin wird es unumgänglich sein, durch mehrere Kampagnen eine ausreichende Verifizierung zu erreichen und die Einflüsse der Statistik herauszufiltern.

Zu erwartende Erkenntnisse
Eine erste Erkenntnis wäre, eine physikalische Begründung für Fehlschüsse zu erhalten, deren Ursache nicht beobachtbar und damit erklärbar ist. Die zweite könnte sein, inwieweit bestimmte Aussagen über die sog. Positionsphasen in der Form, in der sie vorgetragen werden, überhaupt haltbar sind. Die o.a. Annahmen sind ja nicht an den Haaren herbeigezogen, das einzige, was vollkommen ungeklärt wäre, ist die zeitliche Reihenfolge der Bewegungen und der Muskelentspannungen. Diese zeitliche Abfolge wird man nur vernünftig bestimmen können, wenn man exakte Weg-Zeitmessungen relevanter Punkte durchführt.

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