Das Kraftdreieck, ein Mythos

Beschreibung

Hier geht es nur um den Endzug. Ich werde Ausdrücke wie "LAN 2" oder "Transfer" nicht benutzen, sie sind schwammig und bezeichnen nicht klar, welche Bewegungen und Kräfte relevant sind. Aus dem Artikel "Das Spannen des Bogens unter verschiedenen Längenverhältnissen des Körpers" geht hervor, mit welchen Hebelverhältnissen, Kräften und -sehr wichtig- Drehmomenten ich arbeite. Die rein mechanische Betrachtungsweise dieser Vorgänge muß beachtet werden, sonst erreicht man keine klaren Aussagen. Hier spielt nur und nur der Endzug, also die letzten 5-10mm des Spannens eine Rolle.

Zur Untersuchung wurden die Kinegramme aus "Bogenschießen", Haidn, Weineck, Haidn-Tschalova, 2. Auflage, Seite 200, Abb 194 in Kombination von Skizzen aus Archery Anatomy, Ashford verwendet.

Das ist das Ergebnis:

Im Referenzkinegramm (Bild 1) hat der Schütze seine senkrechte Gelenkebene, in der die Fuß-, die Hüft- und die Schultergelenke liegen um 7,7° gegenüber der Schußrichtung verdreht. Er nimmt also einen fast "geschlossenen" Stand ein.

Um zum sog. Kraftdreieck zu kommen, muß die Schulterlinie und der Bogenarm um das Bogenarmschultergelenk gedreht werden. Zwangsläufig ändert sich damit die Richtung der Visierlinie, und somit muß das ganze System neu eingerichtet werden. Wollte der Schütze die ursprüngliche Lage seiner Gelenkebene einhalten, werden seine Füße "überdreht" zur Schießlinie stehen müssen. Er wird also einen absolut geschlossenen Stand, bezogen auf die Füße, einnehnehmen. (Füße exakt senkrecht zur Schießlinie)
Das wird aber nicht reichen und er muß noch zusätzlich seine Schulterlinie gegenüber den Hüftgelenken um 5,5° verdrehen.

Die Form des sog. Kraftdreieckes sieht dann wie Bild 2 aus. Ich habe das sog. Kraftdreieck grau unterlegt, aber nicht bis exakt an den Rand, um die ursprünglichen Linien zu erhalten. In der Bogenhand wird sich da kein geometrisch exakter "Punkt" finden lassen, weil sich die Druckkraft der Bogenhand auf eine größere Fläche verteilt. Die Auszugslänge ändert sich, in dem untersuchten Fall um ca 13% der Zugoberarmlänge. Das kann in der Größenordnung von ca 4cm liegen. Die beiden Bilder liegen exakt übereinander, der Drehpunkt ist das Bogenarmschultergelenk, so dass ein Vergleich möglich ist. Es muß zusätzlich eine Kopfdrehung erfolgen, inwieweit die überhaupt möglich sein wird, dürfte von der Form des Kinegramms, der Kopfform, des Augenabstandes, der Nasengröße abhängen.

Kinegramme, bei denen das Bogenarmellbogengelenk nach innen gedreht ist (also zur Sehne hin, beispielsweise "Bogenschießen", Haidn, Weineck, Haidn-Tschalova, 2. Auflage, Seite 200, Abb 195) werden nicht untersucht.

Diskussion

Man sieht, dass durch diese Maßnahme die Sehne des Bogens sehr nahe an den Bogenarm herangeführt wird. Die Überschneidung Bogenunterarm-Sehnenweg in den Skizze spielt bei dieser Betrachtung keine Rolle, aber es ist sehr klar, dass die Sehne sich im Schuß sehr nahe am Bogenarm bewegen muß. Es werden Probleme mit der Kopfhaltung auftreten, die, besonders bei Brillenträgern nur sehr schwer zu lösen sein werden. Die Frage ist, ob sich dieser Aufwand lohnt...
Weiter werden Probleme mit dem Verdrehen der Schulterlinie dafür sorgen, dass die Bogenarmschulter stark nach innen gedreht wird, (zur Sehne hin) und sich dabei heben wird. Bei sehr schmalen Schützen, deren Anschlagpunkt nahe ihrer Schulterlinie liegt kann es passieren, dass die Bewegung des Zugellbogens um sein Schultergelenk nur noch minimalste Auszugsänderungen hervorruft und so der Schütze nicht mehr durch den Klicker kommt. Vergleiche hier

Die Stellung des Bogenarmschultergelenkes bietet den vermeintlichen Vorteil, dass hier im Endzug keine Drehmomente aufgebracht werden müssen. Das dürfte aber ein Fehlschluß sein, weil bei kleinsten Abweichungen bei diesem Balanceakt sofort hohe Drehmomente wirken müssen um den Bogenarm zu stabilisieren. Dieser Fehlschluß kommt zustande, weil bei dieser Betrachtung ein Kräftevieleck mit Betrachtung der zugehörigen Drehmomente zu einem primitiven Dreieck "vergewaltigt" wurde. Beispielsweise hier Es ist eine unzulässige Vereinfachung, die, weil sie in Trainerkreisen wohl bis in die Vereine hinein gelehrt wird, Schaden anrichtet. Zusätzlich kommt dazu, dass dieses sog. Kräftedreieck ohne irgendeinen Zusammenhang in irgendwelche Fotografien hineingemalt wird. Beispiele gibt es genug.

Wird das Bogenarmschultergelenk "verriegelt" so wird im Schuß das freiwerdende Moment auf der Zugschulterseite das System (von oben gesehen) nach rechts drehen, (Fall 3 im folgenden Bild) und so eine Winkelabweichtung bewirken. Diese wird einen größeren Zielfehler verursachen als die Parallelverschiebung, die im Schuß entsteht, wenn auf beiden Seiten gleichmäßig gespannt wird. (Fall 2 in Bild 3)
Bild 3

An der Bewegung des Bogenarmes ist übrigens sehr schön zu sehen, ob gleichmäßig auf beiden Seiten gespannt wurde. Besonders gut ist das auf dem Lehrposter "Bogenschießen" des DSB zu erkennen. Schade, dass dieses Poster im Buch "Bogenschießen" nur so klein abgebildet ist, dass nichts Wesentliches zu erkennen ist...

Schlussfolgerung

Ich habe kein einziges Bild, weder in "Bogenschießen" noch in "Total Archery" gefunden, aus dem eindeutig hervorgeht, dass das sog. Kraftdreieck von dem Schützen eingehalten wird.
Nach den Kinegrammen von Haidn gab es auch unter den vermessenen Kinegrammen nicht eines, in das man das sog. Kraftdreieck hineindenken konnte.
In der Deutschen Schützenzeitung Heft 7 2016 sind einige deutsche Spitzenschützen abgebildet. Die einzige, bei der mit viel guten Willen dieses sog Kraftdreieck hineindenkbar wäre, war Elena Richter, und ich selber würde diese Haltung eher als nicht empfehlenswert beschreiben, da einfach die Bogenarmschulter viel zuweit nach innen gedreht erscheint.
Weshalb werden nach dieser unbrauchbaren Anweisung scheinbar Trainer ausgebildet???? Vielleicht weil ein bekannter Trainer in seinem Buch mal über einen "Gewehrlauf" geredet hat? Abgesehen davon ist dieses Buch ja recht brauchbar...

Weshalb eigentlich das "Kraftdreieck"???? Weil es irgendein Spitzenschütze es so macht? Oder gesagt hat, dass er es so macht? Wer heilt hat Recht???

Zum Schluss stelle ich unter diesen Artikel meine Signatur, die ich sehr lange als "hödur" führte, und die immer noch zu meinen Lieblingssprüchen gehört:

"One of the greatest tragedies in life
is the munder of a beautiful theory
by a gang of brutal facts."
Benjamin Franklin

Nachtrag am 21. Juli 2016

Empfehlungen zum Stand

Ich habe nirgends in seriöser Literatur gefunden, dass tatsächlich Schützen in der Geometrie des sog Kraftdreieckes schießen. Deshalb haben Empfehlungen die von Trainern in dieser Richtung propagiert werden, auch keinen praktischen Hintergrund.
Es ist unmöglich, im idealen sog. Kraftdreieck Bogen zu schießen.
Ein theoretischer physikalisch-geometrischer Hintergrund ist ja sowieso nicht vorhanden. Aber selbst das -falsche- Argument "Wer trifft hat recht" ist hier nicht anwendbar.

Mein Modell zur Untersuchung von Kinegrammen ist fertig, jede Haltung kann ich objektiv untersuchen, dokumentieren und mit anderen vergleichen.

Aus den vorläufigen Untersuchungen kann folgende Empfehlung zum Stand herausgezogen werden:

Das Urheberrecht an diesem Artikel liegt, wie alles auf meiner Website bei mir. Die Verwendung dieses Artikels zur Weiterbildung im Verein ist ohne Anfertigung von Kopien gestattet.

Zurück zur Website