Bogensportmagazin Nr. 1 2002
Ich gehe davon aus, dass Artikel von sehr guten Schützen sehr sorgfältig
gelesen werden und daher auch eine ziemliche Breitenwirkung haben. Aus
diesem Grunde habe ich mir den Artikel "So holen Sie das Letzte aus Ihren
Pfeilen heraus" von Vittorio Frangilli etwas genauer angesehen. Es ist
schwierig, eine Balance zwischen einer Gesamtsicht dieses Artikels und
einzelnen Aussagen zu finden. Daher habe ich mich entschlossen, einzelne
wichtige Aussagen von Frangilli der Reihe nach zu behandeln, zu analysieren
und zu kommentieren.
- Sollte eine Möglichkeit und die Notwendigkeit bestehen, die
Pfeile hinsichtlich ihrer Gleichmäßigkeit auszusuchen, dann
ist das gleichermaßen für gute wie für schlechte Schützen
wichtig. Beide werden dann ihre Treffleistungen verbessern. Es gibt keine
technischen Gründe, weshalb ein Schütze einer niedrigereren Leistungsklasse
nicht den Vorteil gleichmäßigerer Munition spüren sollte.
- Aus welchen Produktbeschreibungen Herr Frangilli ersehen kann, welche
Produktionsmethoden hinsichtlich der Gleichmäßigkeit besser
oder schlechter sind, ist nicht nachvollziehbar. Keine Firma wird in Produktbeschreibungen
ihr Wissen um die Qualität ihrer Produkte offenlegen. Hier irrt Frangilli
heftig.
- Eine Unterschied von +0,2g (3grain) in der Masse der Spitze wird bei
einem Pfeil, der aus einem Bogen mit einer Endhaltekraft von ca 187N verschossen
wird, einen Höhenunterschied im Treffbild auf 70m von -3,4cm bewirken.
- . Die seitliche Abweichung (der Pfeil reagiert weicher) wird 3,5cm
betragen. Das heißt, der Pfeil wird gegenüber dem nominellen
Pfeil, der selbstverständlich das Kreuzchen ausgestanzt hat, rechts
unten in der Zehn stecken.
- Auch Frangilli wird diesen Pfeil auf Grund dieses
Treffers nicht aussondern. Seine Behauptung, dass dieser Gewichtsunterschied
ausreicht, dem Pfeil ein anderes Flugverhalten zu geben, ist im Lichte
dieser Betrachtung reichlich seltsam.
- Gewichtsunterschiede der Pfeilschäfte machen sich nur in der Höhe
des Treffbildes bemerkbar (In der gleichen Größenordnung wie
oben angegeben). Die Aussage dass solche gravierenden Unterschiede wie
1,2 g (Angabe von Frangilli) bei Schäften gleichen Spines und gleicher
Länge auftreten, ist nicht nachvollziehbar. Bei zusammengebauten Pfeilen
habe ich Gewichtsunterschiede von 0,3g (als Spannweite) gemessen, und ich
bilde mir nicht ein, extrem sorgfältig zu arbeiten. Die in den Tabellen
angegebenen spezifischen Pfeilmassen und Spinewerte stimmen nicht genau,
aber das ist keine große Sache. Nocken, Inserts und Spitzen haben
meinen Messungen nach Spannweiten der Gewichte in der Größenordnung
von 0.02g. Das heißt, dass auf Grund von Gewichtsstreuungen allerhöchstens
Abweichungen zu erwarten sind, die sich auf 70m im Bereich der Zehn bewegen
werden.
- Weshalb Frangilli nicht auf die unterschiedlichen Spinewerte der einzelnen
Pfeile eingeht, ist mir ein Rätsel. Hier habe ich erhebliche Unterschiede
zwischen einzelnen Pfeilschäften gemessen, auch bei ganz neuen Pfeilen
der gleichen Charge. Ich kann Frangilli aber in dieser Richtung beruhigen.
Obwohl rechnerisch erhebliche seitliche Abweichungen zu erwarten gewesen
wären, hat sich dies in der Praxis nicht bestätigt. Unter Praxis
wird hier Treffbildschießen mit Kennzeichnung der Pfeile, Auswertung
der Standardabweichung und der 50%igen Streuungsellipse und Beobachtung,
ob gekennzeichnete Schäfte innerhalb oder außerhalb dieser Streuungsellipse
signifikant öfter zu finden sind, verstanden. So wird der Einfluss
unterschiedlicher Schießkünste eliminiert. Wenn man es einigermaßen
geschickt anstellt, braucht man keine 1200er Schützen, um technische
Fragen zu klären.
- Jetzt komme ich zu seinem Verfahren, unbefiederte Pfeile auf 70m
zu schießen, und aus dem entstehenden Treffbild die besten auszuwählen.
- Die Stabilisierung eines Geschosses hat erheblichen Einfluß auf
die Treffgenauigkeit und vor allen Dingen auf die Reproduzierbarkeit. Bei
einer Abschusshöhe von 1,5m erreicht der Pfeil bei einer Schußentfernung
von 70m eine Gipfelhöhe von 3m und ist ca 1.14s unterwegs.
- Dass im
Freien überall auf der Flugbahn gleiche Bedingungen herrschen, ist
nicht voraussehbar und nicht reproduzierbar, selbst innerhalb kürzester
Zeiten bilden sich in der Atmosphäre Turbulenzen, die an der Schiesslinie
garnicht bemerkt werden.
- Bei einem Pfeil ohne Befiederung erfolgt die Stabilisierung
u.a. durch den Umschlagpunkt von laminarer in turbulente Strömung,
der dafür sorgt, dass der Angriffspunkt der aerodynamischen Kraft
hinter den Schwerpunkt des Pfeiles wandert. Dieser Punkt ist nicht stabil
und wird sich mit den angreifenden Luftkräften während des Fluges,
schon allein auf Grund der abnehmenden Fluggeschwindigkeit ändern.
-
Das Schießen mit unbefiederten Pfeilen ist daher nur bis zu einer
Schußentfernung von ca 18m zur Feststellung des passenden Spinewertes
zweckmäßig.
- Spitzenschützen im Bereich Gewehr und Freie Pistole lassen sich
schon lange ihre Munition beim Hersteller auf ihre Waffe abstimmen bzw
suchen sich passende Munitionslose durch Treffbildschießen mit ihrer
Waffe heraus. Der Vorschlag, das Munitionslos auf Grund von Schießen
aus einem glatten Rohr auszuwählen (um analog zum Verfahren von Frangilli
auf die Geschoßstabilisierung bewußt zu verzichten), würde
im besten Fall nur Kopfschütteln verursachen...
- Gegen eine Auswahl
von befiederten Pfeilen aus Treffbildbeschüssen ist überhaupt
nichts einzuwenden, wenn dies mit der gebotenen Sorgfalt geschieht, die
die Statistik nun mal fordert, und das heißt Errechnen des mittleren
Treffpunktes, der Standardabweichung nach Höhe und Seite und Feststellung
der Pfeile, die regelmäßig innerhalb der 50%igen Streuungsellipse
liegen. Kein Problem, dafür gibt es Rechner.
- Zur Methode von Frangilli
ist noch zu bemerken, dass er noch vergessen hat, seine Pfeile zu baden.
Im Ernst: die Pfeile werden zusammengebaut, aber ohne Befiederung, und
dann in der Badewanne schwimmen gelassen. Das Wasser muss natürlich
etwas entspannt sein. Pril tut es, es kann aber auch CD sein. Die Lage
des Pfeiles im Wasser wird markiert, um nachher die Federn immer gleichmäßig
zum Schwerpunkt anbringen zu können...
- Soweit die sachliche Auseinandersetzung mit diesem Artikel.
- Der Rest von Frangillis Hinweisen ist nicht mehr der Rede wert. Selbstverständlichkeiten
wechseln mit Ratschlägen ab, die ungefähr so nützlich sind,
wie das oben beschriebene Baden von Pfeilen oder das Treffbildschießen
mit Pfeilen ohne Befiederung. Abgesehen davon, wer will so eine Art von
Selektion bezahlen? 48 Pfeile repäsentieren ca 1300 €, und das
ist viel Geld für ein unnützes Verfahren.
- Es gibt Sportler, die schlachten vor einem wichtigen Wettkampf bei Vollmond
ein Huhn und malen mit dem Blut magische Zeichen auf ihr Gerät. Andere
zünden an heilig genannten Stätten Kerzen an. Dritte legen sich
das Mittelteil ihres Bogens unter das Kopfkissen. Alles gut und anwendbar,
wenn es denn zum Sieg führt. Man sollte aber andere Leute nicht mit
solchen Gehirnverkleisterungen belästigen. Ich erwarte von einem Spitzenschützen
nicht unbedingt, dass er viel Ahnung von der materiellen Technik hat. Wer
aber solch einen Artikel in die Welt setzt, hat derbe Kritik verdient.